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Handelsblatt Nr. 103 vom 30.05.03 Seite 34

Immobilien

Fonds locken Versicherer in Immobilien

Die Zuwachsraten im Geschäft mit Immobilien-Sondervermögen für institutionelle Investoren zieht neue Anbieter an

REINER REICHEL HANDELSBLATT, 30.5.2003 DÜSSELDORF. Das Neugeschäft der Lebensversicherer brummt. Was fehlt sind attraktive Anlagemöglichkeiten. "Aktien scheuen die Versicherungen wie der Teufel das Weihwasser", beobachtet Ralf Pohl, Geschäftsführer der Immobilienspezialfonds-Gesellschaft Gerling Investment. Weil die Anleiherenditen ebenfalls mager ausfallen, sind die Lebensversicherer auf die Immobilie gekommen. Vor allem die indirekte Anlage über offene Immobilienspezialfonds boomt (s. Grafik). Aus der jüngsten Spezialfondsstudie von Hans Karl Kandlbinder und Till Entzian geht hervor, dass allein Versicherungsgesellschaften im vergangenen Jahr 2,3 Mrd. Euro in dieses Anlagevehikel gepumpt haben. "Es wäre nicht verwunderlich, wenn die Versicherungen den Wert ihrer Spezialfondsanlagen von aktuell rund 6,4 Mrd. Euro in den nächsten zwei Jahren auf 14 Mrd. bis 16 Mrd. Euro mehr als verdoppeln würden", sagt Rechtsanwalt Entzian.

Das Wachstum lockt neue Anbieter auf den Markt. Kandlbinder und Entzian zählen in ihrer demnächst in der "Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen" erscheinenden Studie 60 Fonds von 17 Kapitalanlagegesellschaften. Zwei weitere Unternehmen bringen nun Fonds an den Start: Kanam, ein Anbieter geschlossener US-Immobilienfonds, und die Immobilien-AG IVG. Mit der HCI drängt ein weiterer Wettbewerber nach. "Ein Zulassungsantrag bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen wird kommen", kündigt Harald Christ, Geschäftsführer der mit Schiffsbeteiligungen groß gewordenen HCI, an. Ulrich Nack, Vertriebsleiter des Marktführers Sal. Oppenheim Immobilien, erwartet Konkurrenten aus dem Versicherungslager, die wie Gerling, Münchner Rück und Axa Colonia eigene Kapitalanlagegesellschaften gründen.

Dass über Spezialfonds in Beton und Steine investiert wird, hat mehrere Gründe: "Immobilien haben einen Anteil von null bis zehn Prozent an den gesamten Vermögensanlagen eines Versicherers. Der auf sie entfallende Anteil an den Verwaltungskosten ist oftmals erheblich höher", stellt Nack fest. Gerade bei kleinen und mittleren Versicherern sowie Pensionskassen sind die Fixkosten im Verhältnis zum Immobilien- Anlagevolumen zu hoch, weswegen Nack behauptet: "Immobilienspezialfonds können Immobilien sehr viel effizienter verwalten als Versicherungen." Das gilt wohl um so mehr, je verwaltungsintensiver Immobilien sind. Heinz Willi Wieben, Leiter der Immobilienabteilung bei der Provinzial Rheinland bekennt, dass die Provinzial "aufwendige" Immobilien mit vielen Mietern in einen Spezialfonds gibt, die "pflegeleichten" aber selbst managt.

Außerdem profitieren Fonds von der zunehmenden Risikostreuung durch Auslandsimmobilien. "Man muss einer Versicherung nur vorrechnen, was es kostet, ein Management-Team in Paris oder London aufzubauen", spricht Berater Kandlbinder für die Fondslösung.

Zudem eignen sich Spezialfonds auch zur Ergebnissteuerung. "Die Ertäge des Sondervermögens gehen erst in die Gewinn- und Verlustrechnung ein, wenn sie ausgeschüttet werden", erläutert Entzian. Wie sich stille Reserven heben lassen, wenn die Versicherung nach dem Niederstwertprinzip bilanziert, zeigt Gerling-Investment-Chef Pohl an einem Beispiel auf: Die Fondsanteile stehen bei der Gerling Leben mit 100 Einheiten in der Bilanz. Hat die Wertsteigerung der Immobilien den Wert der Anteilsscheine auf 110 Einheiten erhöht, gibt die Leben die Anteile zunächst zu 110 zurück und verbucht zehn Einheiten als Gewinn. Taggleich kauft sie die Anteile wieder zu 110 an, so dass sie fortan zu diesem Kurs in der Bilanz stehen. Gerling hat entschieden, künftig die gesamten Immobilien-Neuanlagen der Leben - immerhin zwischen 100 Mill. und 200 Mill. Euro jährlich - über den Fonds abzuwickeln.

Zu den skeptischen Beobachtern des Fonds-Booms zählt Jürgen Bader, langjähriges Vorstandsmitglied der Bayer-Penisonskasse und nun Mitinhaber der Beratungsfirma JB Investconcept: "Man sollte nicht glauben, dass die Anlageergebnisse durch einen Immobilienspezialfonds automatisch besser werden." Ab und an liefern die Fonds die Benchmark für das eigene Team. Die Renditeprognosen gehen auseinander. Pohl schätzt, dass bei "sehr konservativer Anlage" in Deutschland Mietrenditen von 5,5 bis sechs Prozent zu erreichen sind, von denen Verwaltungskosten zwischen 0,3 und 0,8 Prozentpunkten aufzehrten. Da die Mietrendite über dem Fremdkapitalzinssatz liegt, seien durch den Leverage-Effekt 6,5 Prozent Eigenkapitalrendite möglich. Höher hinaus will LB-Immo-Invest-Geschäftsleiter Hartwig Hasenkamp: "Bei Immobilienspezialfonds mit geringem Risiko soll die laufende Ausschüttung bei mindestens sieben bis acht Prozent liegen."

Derweil spart sich die Allianz Leben renditezehrende Fonds-Gebühren. "Wir gehen nicht in Immobilien-Spezialfonds", sagt Andreas Gruber, Leiter Finanzcontroling beim größten deutschen Lebensversicherer. Mit einem Immobilienanlagevolumen von fünf Mrd. Euro sei die Allianz Leben größer als die meisten Spezialfonds, sagt er.

@Weitere Artikel zum Thema Immobilien unter www.handelsblatt.com/immobilien

Autor: Reichel, Reiner

Branche/SIC-Code:
Versicherungswesen P6300
Immobilienfonds P6725

Länder: Bundesrepublik Deutschland C4EUGE; Bundesrepublik
Deutschland C4EUGE
Länderfacette: Dienstleistung; Geld und Börse

Datenbank HB

Dokumentnummer 050330704


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